Von Maschinen und Menschen – Interview mit der Roboterforscherin Elisabeth André

Roboter heute und morgen

Können Sie etwas über Ihre aktuellen Forschungsprojekte sagen?

Wir arbeiten derzeit an Robotern, die sich mit Menschen auf eine ganz natürliche Art und Weise unterhalten können, also so, als würden sie menschlichen Gesprächspartnern/innen gegenüberstehen. Das kann nur gelingen, wenn unsere Roboter die Gemütslage ihres menschlichen Gegenübers erfassen und umgekehrt auch Gefühle zum Ausdruck bringen können, etwa freundlich zurück lächeln oder Mitgefühl zeigen.

Geht die zukünftige Entwicklung von Robotern in diese Richtung?

Ja, daran führt langfristig kein Weg vorbei. Unser Vorbild ist ein ganz normales Gespräch zwischen Menschen. Wir versuchen also, die Maschinen so weiterzuentwickeln, dass sie sich an Menschen anpassen – und nicht umgekehrt sich Menschen Maschinen unterordnen müssen.

Welche anderen Fähigkeiten werden Roboter in Zukunft haben?

Salopp gesagt sind heutige Roboter allesamt noch ziemliche „Fachidioten“ – hoch spezialisiert auf eine oder sehr wenige Aufgaben. Populäre Beispiele sind Montageroboter, die am Fließband Autos zusammenschweißen, oder auch die auf Weltmeisterniveau spielenden Schachcomputer. Aber diese Roboter bzw. Computer können eben nur eine einzige Sachen richtig gut und sonst gar nichts. Ein Roboter, der etwa zu Hause die Funktion eines Butlers übernehmen soll, muss nicht super gut Schach spielen können, gefragt sind vielmehr die Fähigkeit, sich auf die Mitbewohner/innen einstellen zu können, Vielseitigkeit und möglichst noch ein Schuss Improvisationstalent.

Wenn Roboter wie Menschen handeln und aussehen sollen, dann kann es auch Robotermädchen und -jungen geben.

Wie lernen Roboter?

Wie sollen Roboter denn lernen, auch mit unerwarteten Herausforderungen klarzukommen?

Man kann ihnen ja nicht für jede Situation etwas einprogrammieren. Neuerdings werden Maschinen entwickelt, die in der Lage sind, aus Erfahrung zu lernen. Diese Systeme arbeiten mit künstlichen neuronalen Netzen, die sich an der Funktionsweise des menschlichen Gehirns orientieren. Es gibt bereits Roboter, die in der Lage sind, ein Spiel zu lernen, ohne dass ihnen vorher die Spielregeln einprogrammiert worden wären.

Könnte man sich vorstellen, dass solch ein Roboter in einer Schulkasse sitzt und mit Kindern zusammen etwas lernt?

Hier muss man sich zunächst klar machen, dass wir als Ingenieure/innen genau wissen, welche Art von Lernaufgaben Maschinen wie Roboter oder Computer nach dem heutigen Stand der Technik bewältigen können, und wie solche Lernmechanismen zu programmieren sind.

So kann man beispielsweise einem Roboter durch Vorgabe von Bildbeispielen beibringen, Verkehrsschilder von Werbeplakaten zu unterscheiden. Auch ein Lehrer/eine Lehrerin könnte seine Schüler/ innen durch Zeigen von Bildbeispielen lehren, wie Verkehrsschilder bzw. Werbeplakate aussehen, um sie in die Lage zu versetzen, auf dem Heimweg eben Verkehrsschilder von Werbeplakaten zu unterscheiden. Würde man einen Roboter in eine so gestaltete Unterrichtsstunde setzen, würde dieser bei gleicher Anzahl von Bildbeispielen wohl viel weniger lernen als seine menschlichen Mitschüler/ innen. Gibt man hingegen dem Roboter hinreichend viele solcher Bildbeispiele vor – wir sprechen hier von Millionen von Beispielen – so wird er nach kurzer Zeit Verkehrsschilder und Werbeplakate viel schneller und sogar genauer unterscheiden können, als das je ein Mensch könnte, ganz gleich wie sehr dieser sich bemüht.

Umgekehrt wissen Ingenieure/innen recht wenig über die Entwicklungspsychologie des Kindes. Natürlich werden Erkenntnisse aus der Psychologie und der Hirnforschung auch für die Weiterentwicklung von Robotern genutzt – aber wir sind noch weit davon entfernt, Roboter so zu programmieren, dass sie wie Kinder lernen. Kinder kommen als neugierige Wesen auf die Welt und sind dann mit vielfältigen Lernaufgaben konfrontiert, darunter der Erwerb von Sprache, Sozialverhalten, Feinmotorik und Körperbeherrschung und vielleicht die Königsdisziplin: lernen kreativ zu sein.

Roboter Zeno zeigt Gefühle: Er schämt sich, ärgert sich und ist überrascht. Was tut er auf welchem Bild?

Roboter in Medizin und Altenpflege

Was halten Sie von Robotern in der Medizin und in der Kranken- oder Altenpflege?

Das ist ein sehr sinnvolles Einsatzgebiet. Es gibt da viele anstrengende Tätigkeiten wie zum Beispiel das Anheben und Umlagern von Patienten. Denkbar wäre auch, dass ein Roboter Menschen Gesellschaft leistet, die niemanden mehr haben. Das Beste ist natürlich immer, wenn man mit anderen Menschen zusammen ist. Aber das ist eben manchmal nicht möglich und auch ein Haustier als Begleiter ist nicht für alle alten oder kranken Menschen geeignet. In solchen Situationen kann ein Roboter als Gesprächspartner dienen und den Menschen Anregungen geben.

Haben Sie damit selbst schon Erfahrungen gesammelt?

Wir haben mal einen Roboter in einem Altenheim ausgetestet. Die alten Leute hatten zwar am Anfang Berührungsängste, waren dann aber sehr angetan. Eine Mitarbeiterin des Altenheims hatte die Idee, dass man den Roboter durch die Zimmer schicken könnte, um die Bewohnerinnen und Bewohner zusammenzurufen, wenn es eine gemeinsame Aktivität gibt. Ich stelle mir vor, dass ein Roboter Menschen aktivieren könnte, indem er sie auf verschiedene Themen anspricht und sie dann miteinander ins Gespräch bringt.

Wäre so etwas heute schon technisch machbar?

In gewissem Maße ja. Wir haben zum Beispiel schon einen Roboter eingesetzt, der mit Menschen Karten spielt. So ein Spiel hat überschaubare Regeln und es ist leicht nachzuvollziehen, wer jeweils an der Reihe ist. Das funktioniert schon ganz gut.

Freundschaft und Geheimnisse

Im Film BAYMAX – RIESIGES ROBOWABOHU wird der Roboter für den Jungen Hiro zu einem Freund. Aber das ist eben ein Film. Ist das nicht etwas unheimlich, wenn ein realer Mensch sagen würde, er wäre mit einem Roboter befreundet?

Erst mal ist es natürlich ungewohnt. Aber wir haben ja beispielsweise auch Puppen, die wir wie Menschen behandeln. Wir finden es auch völlig in Ordnung, wenn Haustiere dazu dienen, das Leben von Menschen abwechslungsreicher zu gestalten. Natürlich müssen wir darüber nachdenken, ob und wann wir jemanden mit einer Maschine alleine lassen. Das darf kein Ersatz für die Begegnung mit anderen Menschen sein.

Was passiert eigentlich mit den Daten, die so ein Computer oder Roboter aufzeichnet?

Das ist ein sehr wichtiges und sensibles Thema. Eine herkömmliche Puppe merkt sich nicht, wer mit ihr gespielt hat. Auch bei Haustieren ist nicht zu befürchten, dass diese sich Dritten offenbaren und aus dem „Nähkästchen“ plaudern. Bei einem Roboter ist das anders. Der kann alles aufzeichnen, was er hört und sieht. Er kann sich merken, wen er wann wo gesehen hat, und er kann aus sich wiederholenden Beobachtungen sogar Schlussfolgerungen über Vorlieben und Marotten seiner Mitmenschen ziehen. Hier stellen sich tiefgreifende ethische Fragen, etwa danach, wem diese Daten eigentlich gehören, wer sie nutzen darf und für welche Zwecke. Nicht zuletzt, ob und vom wem sie sich ggf. auch wieder löschen lassen.

Beruf Roboterforscher/in

Das alles klingt für mich so, als wären bei der Entwicklung von Robotern viele Berufe beteiligt, an die man normalerweise gar nicht denkt.

Man benötigt tatsächlich umfangreiche und vielseitige Kenntnisse und Fähigkeiten, die ein Mensch alleine sich kaum aneignen kann. Wir in Augsburg zum Beispiel sind Informatiker und beschäftigen uns damit, wie wir Roboter dazu bringen, möglichst schnell das Richtige zu lernen. Wenn wir Roboter mit Menschen zusammenbringen, arbeiten wir mit Psychologen zusammen. Und für die Entwicklung und Wartung der Roboterhardware sind wiederum ganz andere Berufe gefragt: Mechatronik, Regelungstechnik, Automatisierungstechnik – nur um einige zu nennen.

Aufgaben

  • Lies das Interview. Welche Orte und Situationen für den Einsatz von Robotern werden genannt? Unterstreiche die Textstellen.
  • Welche Herausforderungen bei der Entwicklung von Robotern nennt Frau André? Notiere drei Beispiele.
  • Zu Weihnachten bekommst du einen Roboter, der in Zukunft dein Zimmer aufräumen und putzen soll. Auch den Müll einzusammeln soll zu seinen Aufgaben gehören. Überlege dir, was du mit ihm besprechen musst. Welche Schwierigkeiten könnten auftreten?
  • Die Neue in der Klasse 5c heißt Xenia und ist irgendwie anders. Kein Wunder – sie ist ja auch ein Roboter-Mädchen. Schreibt eine Geschichte über die erste Schulstunde mit Roboterin Xenia.