Die Idee der Privatsphäre

Der Schutz der Privatsphäre ist ein Teil der heute gültigen Grundrechte. So heißt es in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950: „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.“ Damit ist auch schon gesagt, dass Privatsphäre verschiedene Teilbereiche umfasst: Wohnung, Kommunikation, der Umgang mit Freunden/innen oder Familienmitgliedern. Verletzungen dieser Sphäre sind nicht erlaubt, auch Polizisten/ innen oder andere Behördenvertreter/innen dürfen nur nach strengen Regeln in die Privatsphäre eingreifen.

Im Zeitalter der Medien sind neue Aspekte zur Privatsphäre dazugekommen: So hat jede/r das Recht, über die Verwendung seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen (informationelle Selbstbestimmung). Dazu gehört auch das Recht am eigenen Bild. Damit ist gemeint, dass Privatpersonen darüber bestimmen dürfen, ob ein von ihnen angefertigtes Foto oder Video veröffentlicht werden darf. Ausnahmen gelten beispielsweise bei öffentlichen Veranstaltungen oder Personen, an denen die Öffentlichkeit ein besonderes Interesse an einer Berichterstattung hat (z. B. Politiker/ innen).

Erste Ansätze dieser Schutzregeln lassen sich in der Antike finden, konkrete Ausformulierungen, die alle Menschen einschließen und bis heute gelten, gehen auf die Zeit der Aufklärung zurück (z. B. Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich 1789). Die Menschenrechte und der Schutz der Privatsphäre wurden und werden immer wieder durch Gewaltregime außer Kraft gesetzt, wie z. B. im 20. Jahrhundert durch das nationalsozialistische Regime, aber auch durch kommunistische Regierungen im Einflussbereich der Sowjetunion. Auch im 21. Jahrhundert sind die Menschenrechte in vielen Staaten nicht garantiert.

Der Schutz der Privatsphäre steht in einem Spannungsverhältnis zu dem Bedürfnis des Staates, die Kriminalität zu bekämpfen und Gewalttaten zu verhindern. Deshalb werden Eingriffe in die Privatsphäre, wie das Abschöpfen von Kommunikationsdaten oder die Überwachung privater Räume, immer wieder diskutiert und neu ausgehandelt. Die Privatsphäre zu wahren, steht zugleich im Widerspruch zum Bedürfnis der Unternehmen, durch das Sammeln von Kundendaten gezielter und profitabler Waren und Dienstleistungen zu verkaufen.

Daten werden immer wieder als wertvoller Rohstoff bezeichnet – und das zu Recht. Der IT-Experte Andreas Weigend, der als Cheftechnologe für Amazon tätig war, bezeichnet die großen Tech-Konzerne als „Datenraffinerien“ 1. Unternehmen wie Facebook und Google erzielen den überwiegenden Teil ihrer Einnahmen durch gezielt platzierte Werbung – dies ist nur möglich, weil Internet-Profile, Seitenbesuche, Interessen, Meinungsäußerungen, Geo-Daten und weitere gesammelt und ausgewertet werden. Wenn die Unternehmen Menschen ermuntern, zu schreiben, zu posten, zu liken und zu teilen, dann geht es ihnen dabei vor allem um wirtschaftliche Interessen – sie benötigen neue Rohstoffe für ihre „Raffinerien“.

Zwischen der Idee einer informationellen Selbstbestimmung und der digitalen Alltagsrealität besteht ein deutlicher Widerspruch: Viele Menschen fühlen sich zwar unwohl bei der Vorstellung, dass sie im Internet und beim Umgang mit vernetzten Geräten viele Daten von sich preisgeben, akzeptieren es aber im Austausch gegen kostenlose Dienstleistungen oder einfach aus Bequemlichkeiten. Unter der Überschrift „Post Privacy“ (was ungefähr „nach der Privatsphäre“ bedeutet) vertritt eine wachsende Anzahl von Menschen in den letzten Jahren auch die Meinung, dass die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem völlig neu gezogen oder komplett aufgelöst werden sollten.

Anmerkungen und Literaturhinweise

Interview auf ZEIT online, www.zeit.de/digital/datenschutz/2017-05/privatsphaere-amazon-andreas-weigend-data-for-the-people/komplettansicht (abgerufen am 22.9.2017). Weitere Quellen: Tim Cole: Ethik & Privatsphäre: Eine kleine Geschichte des Privaten xethix.com/ethik-privatsphaere-eine-kleine-geschichte-des-privaten/ (abgerufen am 22.9.2017). Mirjam Hauck: Daten für Milliarden. www.sueddeutsche.de/digital/geschaeftsmodelle-von-google-und-facebook-daten-fuer-milliarden-1.2270247 (abgerufen am 22.9.2017). Europäische Menschenrechtskonvention. Text auf Seite der Bundeszentrale für politische Bildung. www.bpb.de/nachschlagen/gesetze/menschenrechtskonvention/ (abgerufen am 22.9.2017).

Aufgaben

  • Lies den Text und fasse ihn in fünf Thesen zusammen.
  • Formuliere eine eigene Bewertung des Themas.
  • Beziehe die Aussagen im Text auf die Handlung des Films THE CIRCLE. Gehe dabei vor allem auf das Projekt „SeeChange“ ein.